Herausforderung Corona: Kinder und Eltern müssen Priorität haben

Für den Start ins neue Schul- und Kitajahr wünschen sich Familien vor allem Verlässlichkeit und klare Perspektiven. Doch ein System, dass schon vor Corona auf Kante genäht war, kann das nicht bieten. Während der Corona-Pandemie wurde vieles auf dem Rücken von Kindern und Eltern ausgetragen. Erholung war für viele Familien im Sommer kaum möglich. „Jetzt ist es an der Zeit, nicht nur Krisenintervention zu betreiben, sondern nachhaltige Lösungen anzustreben“, betonte die Bundestagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel in einer Videoschalte mit verschiedenen Familienverbänden und einer Elterninitiative.

An der Videoschalte am 22. September 2020 nahmen auch Daniela Jaspers (VAMV Bundesverband), Matthias Dantlgraber (Familienbund der Katholiken), Hiltrud Stöcker-Zafari und Maria Ringler (Verband binationaler Familien und Partnerschaften), Nikola Schopp (Zukunftsforum Familie) und Louisa Löwenstein (Eltern Initiativ) teil. Diskutiert wurde über den Start des neuen Schul- und Kitajahres und die Corona-bedingten Herausforderungen, denen Familien in den kommenden Wochen und Monaten gegenüberstehen. Es wurde schnell deutlich: Viele Familien sind am Limit und besorgt über erneut drohende Schließungen von Kitagruppen, Schulklassen oder ganzen Bildungseinrichtungen. Die Sommermonate hätten sehr viel besser genutzt werden können, um Familien mehr Sicherheit zu geben.

Kitas und Schulen nicht nur krisenfest, sondern zukunftsfähig machen

Schulen und Kindertagesstätten sind vielerorts redlich bemüht, den Betrieb unter Pandemiebedingen bestmöglich zu gestalten. Doch eine „Normalität“ scheitert nicht zuletzt an großen Klassenstärken und räumlichen Bedingungen – Problemen, die schon vor Corona bestanden. Auch nach den Sommerferien fehlt es an einem klaren Konzept, wie das Bildungsversprechen in der Pandemie eingehalten werden kann. Zuständigkeitswirrwarr und uneinheitliche Regelungen, z.B. über Masken im Unterricht oder Symptome, die zum Ausschluss von der Betreuung führen, verunsichern Eltern und lassen die Identifikation mit Corona-Maßnahmen sinken. Projekte in Kitas und Schulen, wie Mentorenprogramme oder Lesepatenschaften, können unter den geltenden Hygienebestimmungen oft nicht aufrechterhalten werden. Darunter leiden vor allem Kinder von eingewanderten Familien. Hiltrud Stöcker-Zafari, Bundesgeschäftsführerin vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften, betonte, dass dies keine „Luxusprogramme“ seien, sondern wichtige Mittel im Kampf gegen Bildungsbenachteiligung. Kinder, die nun weiter abgehängt würden, brauchen konkrete Angebote, um ihren Rückstand wieder aufholen zu können.

Wenn es im Herbst erneut zu Schließungen kommt, sind viele Schulen noch immer nicht ausreichend auf den Fernunterricht vorbereitet. Digitale Endgeräte müssen endlich zuverlässig bei den Kindern ankommen, die sie brauchen. Digitale Kompetenzen gehören standardmäßig in Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften. Schulen brauchen Entlastung durch IT-Personal und schnelles Internet. Die Aufgabe von Politik darf nicht nur darin bestehen, dafür Gelder bereitzustellen. Sie muss die notwendigen Veränderungen und Innovationen aktiv antreiben. Laut Louisa Löwenstein, Mitgründerin von „Eltern Initiativ“, braucht es dafür einen Kulturwandel: Die Bedeutung von Kindern und Eltern in unserer Gesellschaft muss endlich angemessen anerkennt werden.

Leistungen für Familien sind Investitionen in die Zukunft

Die Maßnahmen zur Unterstützung von Familien durch die Bundesregierung waren bisher weitgehend wirkungslos und zeugten von einer zweifelhaften Prioritätensetzung. Der Kinderbonus ist ein Tropfen auf den heißen Stein, der bei den Kindern von Alleinerziehenden nur zur Hälfte ankommt, wie Daniela Jaspers, Vorstandsvorsitzende des VAMV-Bundesverbandes erläuterte.

Der Entschädigungsanspruch nach Infektionsschutzgesetz für Eltern, die ihre Kinder wegen Schul- und Kitaschließungen zu Hause betreuen, ist mit hohen Hürden verbunden und wird deshalb zu selten in Anspruch genommen. Wenn es für Arbeitgeber leichter ist, Eltern zu entlassen, als für den Staat in Vorleistung zu gehen; wenn Homeoffice als zumutbare Betreuungsmöglichkeit angesehen wird, die von den Leistungen ausschließt – dann wird deutlich, dass die Bundesregierung die Lebensrealität von Familien aus den Augen verloren hat. Matthias Dantlgraber, Bundesgeschäftsführer vom Familienbund der Katholiken, forderte, dass der Entschädigungsanspruch höher sein und auch die Anzahl der Kinder in Familien berücksichtigt werden müsse.

„Familien in und außerhalb der Krise bestmöglich zu unterstützen muss endlich als unverzichtbare Investition in die Zukunft unseres Landes begriffen werden“, so Schneidewind-Hartnagel Die Familienpolitikerin betonte, dass es dafür neue, zuverlässige Systeme zur finanziellen Absicherung von Kindern und Familien braucht. Die Grüne Bundestagsfraktion setzt sich in den kommenden Monaten weiter für eine Kindergrundsicherung ein. Außerdem wurden bereits in den letzten Monaten Anträge für ein Corona-Elterngeld und für eine Erweiterung der Kinderkrankentage formuliert. Ein solches Corona-Elterngeld sei eine gute Idee, müsse jedoch partnerschaftlich ausgerichtet sein, unterstrich Nikola Schopp, Referentin beim Zukunftsforum Familie. Sie verwies damit einmal mehr darauf, dass zu häufig vor allem Frauen in die Verantwortung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gezogen werden.