Diskussion: Kinderrechte ins Grundgesetz – aber stark

Die verbrieften Rechte für Kinder und Jugendliche gehören mit einer starken Formulierung ins Grundgesetz. Dafür machten sich bei einer öffentlichen Online-Diskussion die Vorsitzende der Kinderkommission im Bundestag, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, und der baden-Württembergische Sozialminister Manne Lucha stark. Die beiden Grünenpolitiker*innen hatten zu der Veranstaltung geladen.

Schneidewind-Hartnagel kritisierte den Entwurf der großen Koalition als zu schwach. Vor allem forderte sie, das Grundgesetz müsse das Wohl des Kindes als „vorrangig“ bewerten. Der Entwurf der Bundesregierung sieht aber nur eine „angemessene“ Bewertung vor. Zudem unterstrich sie, dass zu den Kinderrechten sowohl der Kinderschutz als auch die Förderung und die Beteiligung gehören. Lucha sprach von einem „rhetorischen Feigenblatt-Entwurf“ und stellte fest, dass damit kein grundsätzlicher Paradigmenwechsel erreicht werden könne.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Die Corona-Pandemie erklärte, die Corona-Pandemie zeige deutlich, dass starke Kinderrechte im Grundgesetz stehen müssen. „Eine Änderung von Artikel 6 des Grundgesetzes ist eine wichtige Botschaft gerade diesen Zeiten.“ Gemeinsam mit zahlreichen zugeschalteten Gästen diskutierten die Grünen-Vertreter*innen über Kinderarmut, die Notwendigkeit einer Kindergrundsicherung und Präventionsnetzwerk. Sie waren sich einig: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.

Deshalb kündigte Schneidewind-Hartnagel an, der Vorlage der großen Koalition nicht zustimmen zu wollen. „Wir dürfen auch keine Angst davor haben, dass es heißt, ‚die Grünen wollten immer Kinderrechte im Grundgesetz – und stimmen jetzt nicht zu‘“, erklärte sie. „In der Form wollen wir das nicht. Und das können wir gut begründen.“ Gleichzeitig betonte sie eine grundsätzliche Gesprächsbereitschaft. „Wir sind immer noch im Dialog, aber wenn sich keine Veränderungen ergeben, werden wir diesem Vorschlag nicht zustimmen“, ergänzte die Kinderpolitikerin. „Das hieße dann aber auch, dass in dieser Legislaturperiode das Grundgesetz nicht entsprechend geändert wird.“

Im besten Interesse der Kinder

Der größte Widerstand kommt nach den Worten Luchas aus CDU-geführten Ländern, und dort vor allem aus den Justizministerien. Diese befürchteten zum einen Einschnitte in die Elternrechte und vertäten außerdem das Prinzip, das Grundgesetz dürfe nicht zu viele einzelne Gruppen berücksichtigen, sondern einen allgemeineren Rechtsgrundsatz darstellen. Letzterem sei im Grunde zuzustimmen, doch das Wohl und Wehe von Kindern gehöre dennoch in die Verfassung.

Ein Schwerpunkt der Diskussion war das Argument, die Elternrechte könnten geschwächt aus einer Grundgesetzänderung hervorgehen. Schneidewind-Hartnagel sah das Elternrecht allerdings unbeeinträchtigt. „Unser einziger Fokus ist das Recht des Kindes.“ Im Sinne der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen müsse das beste Interesse des Kindes Vorrang haben. „Gerade jetzt in der Pandemie hat man gesehen, dass dieses Interesse der Kinder, das Wohl der Kinder, hinten runtergefallen ist. Das wäre, wenn wir dieses bereits im Grundgesetz gehabt hätten, anders gehanhabt worden.“

Beteiligung ist mehr als Zuhören oder Informieren

Lucha wünschte sich eine mutigere öffentliche Diskussion. Die Teilnehmer*innen beleuchteten das Thema aus verschiedenen Perspektiven. So kam zur Sprache, dass verschiedene Altersgruppen anders zu Kinderrechten im Grundgesetz stünden. Ein wichtiges Thema war auch die Umsetzung der im Grunde schon verbindlichen Kinderrechtskonvention vor Ort in den Kommunen – vor allem der Beteiligungsaspekt. Hier sah der Minister auch die Kommunen in der Pflicht, eigenständig Aufgaben zu definieren.

Viele Kinder und Jugendliche beklagen laut der Vorsitzenden der Kinderkommission, dass ihnen zugehört werde, dies aber nichts ändere. „Was kommt dabei heraus? Das darf nicht nur eine Alibi-Veranstaltung sein.“ Die beiden Grünen stellten klar, das Beteiligung mehr ist als Information. Die jungen Menschen beteiligten sich mit der Erwartung, dass auch etwas von ihren Beiträgen umgesetzt werde. Und dies sei eines der Ziele von starken Kinderrechten im Grundgesetz.